Logo der Apotheken Umschau

Woher kommt das Konzept der Hafertage?

Hafertage haben ihren Ursprung in der Diabetes-Therapie. Sie stammen aus einer Zeit, zu der es noch keine medikamentöse Behandlung für Patienten mit Diabetes gab. 1902 empfahl der in Bonn geborene Mediziner Carl von Noorden die Haferkuren, um die Blutzuckerwerte zu senken. 1921 kam die bahnbrechenden Entdeckung der Insulin-Behandlung. Doch die Haferkur bleibt bis heute Bestandteil der Ernährungstherapie bei Diabetes. Auch bei Adipositas und zu hohen Cholesterinwerten wird die Kur eingesetzt.

Was bewirkt Hafer im Körper?

Haferflocken enthalten den löslichen Ballaststoff Beta-Glucan. Dieser kann bewirken, dass die Zellen sensibler auf Insulin reagieren. Die Folge: niedrigere Blutzuckerwerte. Diabetologe und Ernährungsmediziner Dr. Winfried Keuthage beschreibt auch positive Effekte für das Darm-Mikrobiom: „Beta-Glucan senkt den pH-Wert im Dickdarm, was das Wachstum schlechter Bakterienstämme behindert und die Vermehrung guter Bakterienstämme anregt.“

Diplom-Ökotrophologin Anne Iburg befürwortet Haferflocken auch wegen ihres im Vergleich zu anderem Getreide hohen Gehaltes an Eiweiß und ungesättigten Fettsäuren.

Eignet sich die Haferkur zum Abnehmen?

Von der Wirkung der Haferkur können nicht nur Menschen mit Typ-2-Diabetes oder Prädiabetes, dem Vorstadium von Diabetes, profitieren. Keuthage sagt: „Die Hafertage funktionieren auch für Stoffwechselgesunde sehr gut zum Abnehmen.“ Neben der niedrigen Kalorienzufuhr gibt es noch einen weiteren Grund dafür. Dafür lohnt es sich zu verstehen, wie Blutzucker, Insulin und Übergewicht zusammenhängen. Nach jeder Mahlzeit schüttet der Körper Insulin aus. Das Hormon schleust den Zucker aus dem Blut in die Zellen.

Aber Insulin sorgt auch dafür, dass überschüssiger Zucker als Fett eingelagert wird. Hafer verbessert die Insulinempfindlichkeit der Zellen, sodasss weniger Insulin nötig ist, um Zucker in die Zellen zu transportieren. „Der Körper kommt dann schneller in die Fettverbrennung“, so Diabetologe Keuthage. „Auch im Dünndarm kann die Stärke aus der zählflüssigen Hafer-Masse nicht so schnell von den Enzymen zu Glukose abgebaut werden – der Blutzucker steigt viel langsamer an, was wiederum zu einer geringeren Insulinausschüttung führt“, erklärt Iburg.

Durch Beta-Glucan bekommen die Haferflocken – gekocht oder über Nacht eingeweicht – zudem ihre zähflüssige Konsistenz. Ökotrophologin Iburg erklärt: „Dadurch bleibt der Haferbrei länger im Magen, es wird dort und in der Bauchspeicheldrüse weniger von dem Hunger-Hormon Ghrelin gebildet – und die Sättigung hält länger an.“

Wie wird die Haferkur durchgeführt?

Eine Haferkur dauert zwei bis drei Tage. An einem strengen Kurtag werden dreimal täglich 60 bis 80 Gramm Haferflocken, in Wasser oder Brühe gekocht, aufgenommen. Alternativ kann man auch kalten Haferbrei essen. Dafür werden die Flocken mehrere Stunden oder über Nacht in kaltem Wasser aufgeweicht. Für geschmackliche Abwechslung sorgen Gewürze.

Für die gemäßigte (auch modifiziert genannte) Haferkur empfiehlt Keuthage zusätzlich zu den Haferflocken wahlweise 50 Gramm Beeren, 50 Gramm Gemüse oder 20 Gramm Nüsse pro Mahlzeit.

Frau isst Salat

Gesund abnehmen: So geht's

Schlank werden ohne Diät? Mit der richtigen Ernährung funktioniert es. Hier finden Sie Tipps und Anregungen. zum Artikel

Kann ich mit einer Haferkur einfach loslegen?

Menschen, die nicht an Typ-2-Diabetes erkrankt sind, können in der Regel direkt mit der Haferkur starten. Anders sieht es aus, wenn Sie an Typ-1- oder Typ-2-Diabetes erkrankt sind und Insulin spritzen. Dann sollte eine Haferkur ärztlich überwacht werden. „Schon ein Hafertag wirkt intensiv auf die Blutzuckerwerte, so dass in vielen Fällen die Insulinmengen reduziert werden sollten, um Unterzuckerungen zu vermeiden“, warnt Keuthage.

Auch bei einigen oralen Diabetesmedikamenten, zumindest für Sulfonylharnstoffe, ist vorher eine Absprache mit dem Arzt nötig. Das gilt vor allem für Sulfonylharnstoffe, die glukoseunabhängig die Insulinfreisetzung erhöhen und so das Unterzuckerrisiko verstärken. Hier muss bei einer Haferkur wahrscheinlich die Dosis angepasst und der Blutzucker engmaschiger kontrolliert werden.

Stoffwechselgesunde sollten ebenfalls gut planen, wann sie die Kur durchführen möchten. „Ungünstig ist es zu starten, wenn man sehr aktive Tage oder ein intensives Sportprogramm geplant hat“, sagt Iburg. Sie rät dazu, etwa an einem ruhigen Wochenende samstags anzufangen.

Wie gesund ist ein Haferdrink?

„Beim Haferdrink handelt es sich um einen Extrakt aus einer kleinen Menge Haferflocken, daher hat der leider extrem wenig Beta Glucan“, erklärt Ökotrophologin Iburg. Als Ersatz für eine Hafermahlzeit funktioniert er daher während der Hafertage nicht. Zudem empfiehlt Iburg, bei Haferdrinks genau auf die Nährwerttabelle zu schauen. „Der Zuckergehalt variiert je nach Marke sehr“, sagt sie. Wer nicht genau aufpasst und nach Geschmack geht, kann schnell eine Zuckerbombe erwischen. Aber: Auch Kuhmilch enthält etwa 5 Gramm Milchzucker (Laktose) pro 100 Milliliter. „Der sogenannte Zweifachzucker aus der Laktose lässt den Blutzucker aber langsamer ansteigen als gewöhnlicher Zucker“, erklärt die Ökotrophologin.

Wie geht es nach den Hafertagen weiter?

Die positive Wirkung der Hafertage auf den Stoffwechsel hält bis zu vier Wochen. „Trotzdem empfiehlt es sich, gleich im Anschluss dranzubleiben und weiterhin regelmäßig Hafer zu konsumieren“, sagt Diabetologe Keuthage. Er schlägt vor, möglichst jeden Tag eine Hafermahlzeit zu verzehren.

Iburg hat dazu noch folgenden Tipp: „Es ist sinnvoll, gesunde Lieblingsrezepte mit Hafer zu sammeln und die regelmäßig in den Speiseplan einzubauen.“ Wichtig fürs Abnehmen, so die Ökotrophologin: „Es handelt sich dabei um eine vollwertige Mahlzeit und keinen zusätzlichen Snack zwischendurch.“


Quellen:

  • Agostoni C, Bresson J, Fairweather-Tait S: Scientific Opinion on the substantiation of a health claim related to oat beta glucan and lowering blood cholesterol and reduced risk of (coronary) heart disease pursuant to Article 14 of Regulation (EC) No 1924/2006. In: doi PHs: 08.12.2010, https://doi.org/...
  • Connolly M , Tzounis X , Tuohy K et al.: Hypocholesterolemic and Prebiotic Effects of a Whole-Grain Oat-Based Granola Breakfast Cereal in a Cardio-Metabolic "At Risk" Population. National Library of Medicine: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 11.04.2024)
  • Khoury D , Cuda C, Luhovyy B et al.: Beta glucan: health benefits in obesity and metabolic syndrome. National Library of Medicine: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 11.04.2024)
  • Cloetens L, Ulmius M, Johansson-Persson A et al.: Role of dietary beta-glucans in the prevention of the metabolic syndrome. National Library of Medicine: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 11.04.2024)
  • Hou Q, Li Y, Li L et al.: The Metabolic Effects of Oats Intake in Patients with Type 2 Diabetes: A Systematic Review and Meta-Analysis. MDPI: https://www.mdpi.com/... (Abgerufen am 11.04.2024)
  • Shen X, Zhao T, Zhou Y et al.: Effect of Oat β-Glucan Intake on Glycaemic Control and Insulin Sensitivity of Diabetic Patients: A Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials. National Library of Medicine: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 11.04.2024)
  • Othman R , Moghadasian M, Jones P et al.: Cholesterol-lowering effects of oat β-glucan. National Library of Medicine: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 11.04.2024)
  • Lammert A, Kratzsch J, Selhorst J et al.: Clinical benefit of a short term dietary oatmeal intervention in patients with type 2 diabetes and severe insulin resistance: a pilot study. National Library of Medicine: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 11.04.2024)
  • AbuMweis S, Jew S, Ames N: β-glucan from barley and its lipid-lowering capacity: a meta-analysis of randomized, controlled trials. National Library of Medicine: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 11.04.2024)
  • Murphy E, Rezoagli E, Major I: β-Glucan Metabolic and Immunomodulatory Properties and Potential for Clinical Application. PubMed Central: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 11.04.2024)